Statistics matters – Unkorrekte Berechnungen führen zu falschen Schlüssen

Die aktuelle Corona-Studie von ETH-Professor Reza Abhari (Institut für Energietechnik) irritieret und enthält medizinstatistische Fehler:

 

Professor Abhari und sein Team gehen davon aus, dass am 11. April 2020 der Peak von 720 Todesfällen in der Schweiz erreicht sei. Anschliessend würde die Zahl stark abfallen und die Anzahl Infizierte sich bei 83'300 Fällen einpendeln. Die Prognose der Todesfälle am Stichtag des 11. April 2020 dürfte relativ genau sein. Hingegen ist ihre Schlussfolgerung, dass aufgrund des Lockdowns die Todesfälle anschliessend nicht mehr ansteigen werden irreführend. Einerseits wäre die Todesrate auch ohne kompletten Lockdown ähnlich zu beziffern, weil 97% der betroffenen Patienten polymorbid und deshalb ohnehin gefährdet waren. Zudem ist die Anzahl Infizierte nicht korrekt. Professor Abhari übersieht, dass neben der Anzahl positiv Getesteter (cf. schwere Fälle und Risikogruppen) auch die Personen mit milden Symptomen sowie alle asymptomatischen und bereits Genesenen hinzugerechnet werden müssen. Gemäss des Modells von InsideCorona sind das zur Zeit ca. 225'000 Personen (ohne asymptomatische) und über 1 Million mit den asymptomatischen Personen.

Die Aussage von Professor Abhari, dass gegenwärtig weniger als 1% infiziert sind, ist schlicht falsch: Zum jetzigen Zeitpunkt muss von einer Infektionsrate von knapp 15% ausgegangen werden. Mit Stand 3. April 2020 sind ca. 15% der Bevölkerung infiziert, wobei 2.6% symptomatisch sind aber nur 0.24% getestet wurden. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Infektionsrate von 50% rund 8% der Bevölkerung Symptome gehabt haben werden. Demnach werden sich die Todesfälle bei einer Infektionsrate von 50% bei ca. 1600 Personen bewegen und die Mortalitätsrate wird um die 0.04% zu liegen kommen.

 

Einmal mehr zeigt sich, dass klinische Erfahrung unabdingbar ist, um präzise Aussagen über Krankheitsverläufe und medizinstatistische Auswertungen zu machen. Modelle des ETH Professors wie auch anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne ärztlich-klinische Erfahrung sind nicht zielführend und sollten für die Lösungsfindung nur sekundär konsultiert werden.

 

Auch durch einen verlängerten Lockdown kann die weitere Verbreitung der Infektion nicht verhindert werden. Ein Immunisierungsgrad von 50-70% ist mit oder ohne Lockdown zu erwarten. Zudem kann man nicht zuwarten, bis Impfungen oder Medikamente gefunden worden sind. Der Ausweg aus dem Lockdown liegt daher in einer auf breiten Tests abgestützten, gestaffelten, gezielten Lockerung der Massnahmen und der schrittweisen Rückkehr zur Normalität. Nur so kann eine zweite und potenziell gefährliche Welle verhindert werden. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich auch vor dem Hintergrund der vom BAG publizierten Mortalitätsstatistik (Stand: 3. April 2020), wonach die Todesfälle in den Altersgruppen bis 29 Jahren 0%, 30-39 Jahren 0.08%, 40-49 Jahren 0.03%, 50-59 Jahren 0.32%, 60-69 Jahren 1.49%, 70-79 Jahren 5.94% und über 80 Jahren 14.32% betragen.