Denkpause: Nur der Einbezug von Wissenschaft und Wirtschaft führt aus der Sackgasse

«(…) locking down the world with potentially tremendous social and financial consequences may be totally irrational» Prof. Dr. John P.A. Ioannidis

Die Corona-Krise wirft weite Schatten in die Zukunft, deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen heute schwierig abzuschätzen sind. Darum braucht es jetzt eine kurze Denkpause und ein ganzheitliches und strategisches Miteinbeziehen wissenschaftlicher Evidenzen. Eine holistische Pandemie-Strategie hilft zu verstehen, dass das öffentliche Gesundheitswesen nur mit einer gesunden Wirtschaft und intakten Gesellschaft funktionieren und finanziert werden kann. Wir brauchen den nüchternen analytischen Blick. Medial aufgeputschte Horrorszenarien und irritierende Statistiken sind nicht zielführend.

 

InsideCorona versucht das statistische Corona-Wirrwarr zu entflechten und Grundlagen zu schaffen für eine umfassende Güterabwägung und um Fragen zu beantworten, die spätestens nach dem 19. April 2020 auf die Schweiz zukommen und die psychischen, sozialen und unternehmerischen Kosten berücksichtigen. Der mediatisierte «Lockdown» überschattet diese dringend notwendige Debatte.

Corona im Überblick:

1. Generell scheint beim Datenmanagement des Bundes ein unübersichtliches Durcheinander zu bestehen. Es braucht eine mit Experten verschiedener Disziplinen besetzte «Ad-hoc-Stelle», welche schweizweit verbindliche Vorgaben für die Analyse und das Reporting der Daten macht.

2. Personen, die eine Coronavirus-Infektion bereits hinter sich haben und damit immun sind (cf. IG-G Antikörper im Blut), müssen dringend wieder in die Wirtschaft und den Arbeitsprozess integriert werden. Die Zahl immuner Personen kann durchaus relativ gross sein. Um den Immunisierungsgrad in der Gesamtbevölkerung zu ermitteln, sollte der in Forschungslabors verfügbare Test so rasch wie möglich kommerziell verfügbar gemacht werden. Zudem könnte das Blut von immunisierten Personen dazu dienen, um industriell Antikörper herzustellen, die zur passiven Immunisierung bei Gesunden und bei Corona-Patienten eingesetzt werden könnten. Die Testung auf IG-G Antikörper müsste daher höchste Priorität haben.

3. Hochrechnungen basierend auf italienischen  Daten und auf einer Studie mit chinesischen Daten im Journal «Science» ergeben, dass die aktuellen Schweizer Modelle problematisch sind. Das Verhältnis zwischen den momentan positiv Getesteten (Stand 20.3.) von 6’200 zu den Toten 56 wird fälschlicherweise auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet, was zu einer viel zu hohen geschätzten Anzahl Toten führt. Es braucht eine saubere Unterscheidung zwischen Infizierten und Getesteten. Gemäss InsideCorona-Berechnungen müsste in der Schweiz von zwischen 900 bis 1’200 Toten ausgegangen werden (cf. Anhang). Was in der Panik völlig untergeht bzw. übersehen wird sind die Todesfälle aufgrund der parallel verlaufenden Grippesaison sowie anderer schwerer Krankheiten und natürlich auch die natürlichen Todesfälle.

4. Der Bottleneck liegt bei den benötigten Intensivbetten. Aufgrund der Zahlen aus den USA benötigen Corona-Patienten 24% Intensivpflege, d.h. 3’500 Intensivbetten pro Monat für die Schweiz. Zur Verfügung stehen aber maximal ca. 1’500 Intensivplätze. De facto war diese Situation auch bei vergangenen Grippeepidemien ähnlich, trotzdem wurde darüber kaum gesprochen.

5. Zudem ist mit einer zweiten Corona-Welle zu rechnen, die noch gefährlicher sein könnte. Um dieser proaktiv zu begegnen, gilt es die Möglichkeit einer (staatlich) kontrollierten Ansteckung der Bevölkerung mit folgendem Ansatz zu prüfen: (1) Erste Welle – Alle Personen zwischen 6-40 Jahren gehen wieder zur Arbeit und zur Schule mit dem Ziel sie zu inokulieren (Dauer: 3 Wochen inkl. Rekonvaleszenz), (2) Zweite Welle – Alle Personen bis 65 Jahren folgen dem Muster der ersten Welle mit den entsprechenden Erfahrungswerten, (3) anschliessend werden Kohortenstudien durchgeführt, um das Ausmass der Immunisierung in der Bevölkerung abzuschätzen. Erst dann werden die Risikogruppen sich wieder frei bewegen können. Mit diesem Vorgehen können: a) die Wahrscheinlichkeit einer gefährlichen zweiten Corona-Welle minimiert und b) der Arbeitsprozess innerhalb von 6 bis 8 Wochen wieder voll aufgenommen werden. Ohne dieses Vorgehen folgt gemäss einer Imperial College-Studie eine rund 18 Monate andauernde Krise mit durchgehenden oder regelmässigen Lockdowns mit unabsehbaren und schwerwiegenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Offensichtlich machen sich internationale Experten ähnliche Überlegungen und die Schweiz könnte aufgrund der Überschaubarkeit des Landes eine entscheidende Vorreiterrolle spielen.


Wir brauchen eine faktenbasierte Risikoeinschätzung. Diese hilft den Behörden und dem Bundesrat Policy-Entscheide zu fällen, die eine gesamtheitliche Sicht, sowie die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge aufzeigt. Wir brauchen eine Entdramatisierungsstrategie, die das soziale und wirtschaftliche Leben wieder als treibenden Motor im Fokus hat. Damit ist InsideCorona nicht alleine. Prof. Dr. Karin Mölling, Prof. Dr. Pietro Vernazza, Prof. Dr. John Ioannidis, Prof. Dr. Beda Stadler, Prof. Dr. Margrit Osterloh, Prof. Dr. Bruno S. Frey, Prof. Dr. Hans Geiger, Prof. Dr. Reiner Eichenberger, Prof. Dr. Thomas Straubhaar aber auch das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk) und viele weitere warnen vor blindem Aktionismus und fordern massvolle und wissenschaftlich basierte Massnahmen.


Anhang: Eigene Modellierung (aktualisiert am 26.3.)

Kommentar zum aktualisierten Anhang:

Es fällt auf, dass die Anzahl Toten sehr hoch ist (2185). Hier gilt es zu beachten, dass die Anzahl Tests bzw. die Art des Zählens offenbar nicht konsistent weitergeführt wurde und es damit zu Abweichungen nach unten kommen kann. Trotzdem bewegt sich diese Zahl durchaus im Rahmen der Grippefälle im vergleichbaren Zeitrahmen der letzten Jahre. Zudem ist noch nicht klar, wie viele Leute in diesem Jahr an Grippe erkrankt sind.


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Artikel im Tagesanzeiger
Stillstand wegen Corona – Die Wirtschaft
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